Unzählige Male war ich schon hier, im Weltwald im Kranzberger Forst nahe Freising, und genoss dabei die immer wieder wechselnden Farben der Blätter und die Ruhe auf den großen und kleinen Wegen, oft mit einer Freundin oder dem Ehemann im Gespräch oder gemeinsam schweigend, dankbar für die kurze Zeit ohne Pflicht oder Ziel. Die von mir für die VFLL-Regionalgruppe organisierte Führung im Juli 2020 verschaffte mir einen neuen Zugang zum Weltwald.
Stephan Huber von den Bayerischen Staatsforsten begrüßte uns an einem heißen Juli-Nachmittag beim „Eisweiher“, dem Weltwald-Parkplatz P2. Vom Zucker-Ahorn-Pavillon aus bogen wir in einen Weg ein, gleich darauf ging es nach rechts – und schon waren wir auf einem Weg in der Abteilung Nordamerika, den ich in diese Richtung so noch nie gegangen war. Alle paar Schritte blieben wir stehen, um etwas zu entdecken und zu erfahren: über die Bitternuss, die Eiche, die Ulme … – und über die Schönheit der Bäume und die Liebe zum Wald.
Vorbei ging es an einer Bank, auf der ein Bild mit einem Gedicht befestigt war, und weiter zur Figur „Ich gehe durch den Wald“ und an der Kreuzung in einen Weg, an dem viele Douglasien stehen. Bei der Kirche St. Clemens machten wir eine Pause, gingen über den Friedhof und in die Kirche, die die gerade anwesenden Messner für uns öffneten, und erfuhren mehr über die Geschichte des kleinen Weilers Oberberghausen. Anschließend drehten wir eine Runde durch das Botanikum und besuchten den neu eingerichteten Europa-Garten am höchsten Punkt des Weltwalds.
Doch zurück zu meinem eigentlichen Thema, zu dieser Bank, an der wir bei Beginn der Führung so schnell und achtlos vorbeizogen. Sie ist eine der Bänk im Weltwald „an besonders lauschigen Plätzen“, „wo der Ausblick am schönsten ist“, aus Douglasienholz gefertigt, einem Baum gewidmet und mit einem Gedicht, u. a. von Heinrich Heine, Theodor Fontane, Christian Morgenstern … , versehen.
„… Jede Bank ist einem bestimmten Baum gewidmet; z.B. der Ulme, der Birne, der Weide usw. Hier kann man eine Pause einlegen und vielleicht auch das Gedicht zum Baum lesen, das an der Lehne angebracht ist. Ganz in der Nähe der Bank findet man natürlich ein schönes Exemplar der charakterisierten Baumgattung.
(https://www.weltwald.de/weltwald-entdecken/entspannen.html)
Eine schöne Übersicht über die verschiedenen Bänke, ihre Namen und Standorte, dazu auch Fotos der jeweiligen Bank und des ihr gewidmeten Baums findet man im Internet.
Zwei Tage nach der Führung wollte ich diese eine Bank nochmals aufsuchen und das zugehörige Gedicht in Ruhe lesen. Zuerst verirrte ich mich auf der Suche nach der Bank, doch dann fand ich sie und stellte fest: Die Bank ist der Douglasie, als „green spires“, „grüne Spitzen“, „grüne Wipfel“ bezeichnet, gewidmet, mit „oldguy“ als Autor des Gedichts.
Und hier mein Rätsel für diesen Sommer:
- Wer ist dieser „Oldguy“, der Autor des Gedichts?
- Wann und wo hat „Oldguy“, das Gedicht geschrieben?
Green spires touch the morning clouds,
“oldguy”
collecting their teardrops,
and drinking their moistened breath.
Green spires sweep the sky in their extended plea to heaven
and push aside the mist of doubts surrounding mankind.
Green spires, fingers of heaven’s gate,
comb the clouds as they pass,
shaking loose the song birds
hidden within their emerald boughs.
Green spires with golden glow,
would that I might share the sunshine
caressing your splendor.
Frei übersetzt:
Grüne Spitzen berühren die Morgenwolken,
“oldguy”
sammeln ihre Tränentropfen auf und trinken ihren feuchten Atem.
Grüne Spitzen fegen den Himmel über sich
mit ihrem weiten Ruf an das Himmlische
und schieben den Nebel der Zweifel, der die Menschheit umgibt, beiseite.
Grüne Spitzen, Finger des Himmelstors, durchkämmen die vorbeiziehenden Wolken
und schütteln die in ihren Smaragdzweigen versteckten Singvögel los.
Grüne Spitzen mit eurem goldenem Schein,
ach könnte ich den Sonnenschein weitergeben,
der eure Pracht liebkost!