Das Wochenlied des Sonntags „Misericordias Domini“ nehme ich zum Anlass, auf ein besonderes Jubiläum der evangelischen Kirche hinzuweisen: Im Jahr 2024 feiert die evangelische Kirche in Deutschland „500 Jahre Evangelisches Gesangbuch“. Ich könnte auch einen beliebigen anderen Sonn- oder Feiertag im Jahr wählen, denn jedem kirchlichen Feiertag ist nach dem Liturgischen Kalender ein Predigttext und ein Wochenlied zugeordnet.
„500 Jahre Evangelisches Gesangbuch“ – was wird da eigentlich gefeiert bei diesem Jubiläum, zu dem es sogar eine Sonderbriefmarke gibt?
Auf der Seite der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, ist unter der Überschrift „Psalmen für das Volk“ zu lesen:
„Vor 500 Jahren wurden die ersten evangelischen Gesangbücher gedruckt, Tausende Ausgaben sollten folgten. Im Laufe der Zeit ist ein kultureller Schatz von immenser Wirkkraft entstanden. ((..))
Vor 500 Jahren begann mit den ersten gedruckten Exemplaren seine einzigartige Geschichte. Ein ‚Grundbuch des Protestantismus‘ nennt es der Kieler Theologieprofessor Johannes Schilling. Darüber hinaus aber ist es ein Liederbuch, das die deutsche Sprache, Literatur und Musik über Jahrhunderte stark beeinflusst hat. Und dies immer noch tut.“
Evangelischen Kirche in Deutschland: „Psalmen für das Volk“ (aufgerufen am 14. April 2024)
Viele, die vor dreißig, vierzig, fünfzig … Jahren konfirmiert wurden, erinnern sich daran, dass sie – typischerweise von Paten, Eltern oder Großeltern – zur Konfirmation ein Gesangbuch geschenkt bekommen hatten, mit Widmung und mit dem Konfirmationsspruch, oft im Schuber und mit Silber- oder Goldprägung. Wie weit die Tradition des Gesangbuchs als Konfirmationsgeschenk zurückgeht, zeigt im Archiv der Pfälzer Kirche die Gesangbuchsammlung unter dem Motto „Lebensbegleiter mit Goldprägung”.
Wochenkalender „500 Jahre evangelisches Gesangbuch“
In dem im Strube Verlag im Auftrag der Württembergischen Kirche veröffentlichten Wochenkalender „500 Jahre evangelisches Gesangbuch“ bekommt man für jede Woche zwei Lieder angezeigt, dazu eine Auslegung der Liedtexte oder der Melodie oder einen Bericht über die Entstehung und die Urheber des jeweiligen Lieds. Wer mag, kommt über den QR-Code auf die Seite „Lieder vom Glauben“, in der jede Woche die aktuellen Wochenlieder angezeigt werden und man zuhören kann, wie sie von einem Chor gesungen werden.
Es ist interessant, im Kalender die Texte zu den jeweiligen Wochenliedern zu lesen, die Lieder anzuhören, im Gesangbuch mitzulesen und mitzusingen oder Erinnerungen an die Lieder hochzuholen und neue Lieder kennenzulernen. Bei moderneren Liedern muss man auch mal in neueren Liederbüchern oder im Internet nach Melodie und Text suchen – oder man fragt bei einer Freundin nach, ob sie die Noten zum gemeinsam geübt und gesungenen Lied hat, vielen Dank, Susann!
Neuauflage des evangelischen Gesangbuchs bis 2030
Bis zum Jahr 2030 soll es eine neue, überarbeitete Ausgabe des evangelischen Gesangbuchs geben. Auf der Seite der EKD gibt es Informationen über den aktuellen Stand der Überarbeitung und auch über die Geschichte des Gesangbuchs und der vielen verschiedenen Ausgaben.
Wochenlieder: „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ und „Du bist ein wunderbarer Hirt“
Zurück zum Sontag „Misericordias Domini“: Beim Wochenlied zu Psalm 23, „Der Herr ist mein Hirte …“, bekommt man im Kalender das weite Spektrum der Lieder gezeigt, mit einer Melodie aus dem Jahr 1524, komponiert von „Urkantor“ Johannes Walter, und mit dem modernen Gegenstück aus dem Jahr 2004, komponiert von Lothar Kosse, gesungen vom Ensemble „Johannes Weller & Band“ unter der Leitung des „Pop-Kirchenmusikers“ Johannes Weller.
- „Der Herr ist mein getreuer Hirt“, Evangelisches Gesangbuch (EG) Nr. 274, Melodie: Johann Walter 1524
- „Du bist ein wunderbarer Hirt“, Originaltitel „Wunderbarer Hirt“ und Melodie: Lothar Kosse 2004
Im jüngeren Lied wird der wunderbare Hirt direkt mit „Du“ angeredet, im älteren Lied mit „der Herr“. Das ältere Lied lässt an mittelalterliche Gesänge denken, das moderne Lied hat eine Melodie, die zum Mitsingen einlädt.
Mir bleiben die Fragen:
- Welche Lieder wollen wir singen, welche Lieder werden wir singen?
- Welche Lieder bleiben bestehen?
- Und: Wer wird singen, wo und zu welchem Anlass? Wer wird mit mir singen?
„Am Singen erkennt man Christenmenschen …”
Es gibt viele Möglichkeiten zum gemeinsamen Singen und dazu, sich von der Musik berühren zu lassen. Und so heißt es im Kalender bei Eintrag zum Sonntag Kantate, am 28. April:
„Am Singen erkennt man Christenmenschen aller Zeiten, Orte und Prägungen. Ohne Kirchenmusik keine Kirche – dir, Quelle, Hüter,Wunder, Freundin und Zukunft des Lebens sing ich mein Lied.“
Wochenkalender „500 Jahre evangelisches Gesangbuch“, Strube Verlag GmBH, München
Bald ist Sonntag Kantate: Lasst uns Singen!
Dein Text regt mich an, über meine Erfahrungen mit Kirchenmusik nachzudenken. Ich bin katholisch, besitze und schätze aber auch das Evangelische Gesangbuch. In der Jugend habe ich mich von modernen Kirchenliedern (vor allem denen von Peter Janssens) begeistern und mitreißen lassen -sie waren wichtig für mich. Gleichzeitig habe ich Ergriffenheit beim Hören und Singen lateinischer Messen gespürt und das war ein Grund, mit 15 in den Kirchenchor zu gehen. Ein tiefes Erlebnis waren die Lieder in Taizé – wenn ich sie heute höre, tauche ich gleich wieder in die besondere Atmosphäre dort ein.
Im fortgeschrittenen Alter liebe ich die alten Meister Bach, Mozart, Haydn, Händel immer mehr – es tut mir gut, ihre Musik zu hören und im Chor zu singen. Trotzdem sind heutige Texte und moderne Melodien mir weiterhin wichtig und ich finde viele schöne und bewegende Stücke im Gotteslob und im EGB. Ohne Kirchenmusik würde mir ganz viel fehlen…