Mitte Juni – Jahresmitte, Mittsommer. Tagsüber am Schreibtisch gesessen und gearbeitet, bei schönstem Wetter draußen. Früher Feierabend, rauf auf den Roller und zum nahegelegenen Selbstpfücker-Erdbeerfeld gefahren. Mit gebeugtem Rücken oder in der Hocke: eine Erdbeere nach der anderen, die eine ins Töpfchen, die andere ins Kröpfchen …
Erinnerungen kommen hoch:
Omas Geburtstag am 16. Juni, gefeiert am 17. Juni, damals ein sicherer Feiertag, an dem alle frei hatten. Die Tanten und Onkel mit den Basen und Vettern rückten an, um im großen Pfarrhaus Geburtstag zu feiern. Mittag gegessen – in der Linde? Oder selbst gekocht? Reichte dafür der Platz: für Oma und ihre Schwester Else, für die fünf Kinder mit ihren Angeheirateten und den 15 Enkelkindern?
Am Nachmittag wurden die Instrumente hervorgeholt – Geige, Cello, Querflöte, Oboe – und am Klavier die eingeübten Stücke vorgespielt, zur Freude der stolzen Eltern. Und immer wieder wurde gesungen, angefangen bei den Kanons: Viel Glück und viel Segen … – „Das war Vaters Lieblingslied“. Und dann den Singkreis-Kanon rauf und runter: Wer sich die Musik erkiest …; Ich will den Herrn lo-o-oben …; Freunde, lasset und beim Zechen …: Vivat, sie lebe hoch! Die Nachgeborenen singen es noch heute bei den Familientreffen – zum Schrecken mancher Hinzugekommener und zur Belustigung (oder Neugier?) der nächsten Generation.
Später dann Kaffeetrinken, am liebsten im Garten. Stühle und Liegen wurden unterm Sauerkirschbaum aufgestellt, der Sonnenschirm aufgespannt, die Beine hochgelegt, … Natürlich wurde Erdbeerkuchen aufgetischt. Dass Großmutter die Erdbeeren für den Kuchen einmal mit Salz „gezuckert“ hat, kam dabei ebenfalls immer wieder auf den Tisch.
Die Runde im Haus oder im Garten wurde festgehalten auf Fotos in Schwarzweiß oder in unnatürlich wirkenden Farben. Langsam verblassen die Fotos, die Erinnerungen bleiben.
Beim Erdbeerpflücken sehe ich die älteste der Basen vor mir, wie sie durch den Garten streift und Erdbeeren pflückt und genießt. Eine Vorahnung von Genießenkönnen, auch für Pfarrerskinder?
Jahre später, ein Jahr vor ihrem 95. Geburtstag musste Großmutter ins Krankenhaus. Dort starb sie innerhalb weniger Tage. Es heißt, sie habe Erdbeeren gegessen und diese nicht vertragen.
Stimmt mich das traurig, am Ende meines Nachmittags auf dem Erdbeerfeld?
Nein: Mitte Juni ist Omas Geburtstag und Omas Todestag. Die Kinder, Enkel und Urenkel denken gerne an sie, die Mutter, die Oma, die Oma Sophie.
Strawberry Fields Forever